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Dilara Acinkgöz (r.): "Wir haben das Ziel, in ein paar Jahren in der Frauen-Bundesliga zu spielen. Dafür tun wir alles".[Foto: privat]
Während unserer Themenwoche Frauen- und Mädchenfußball haben wir bereits mit Tugba Tekkal über die Hürden für fußballbegeisterte Mädchen mit Migrationshintergrund gesprochen und wie Amateurvereine diese beseitigen können. Die eineiigen Zwillinge Dilara und Ilayda Acikgöz (15) machen eindrucksvoll vor, wie die Integration zur Selbstverständlichkeit wird. Sie spielen in der männlichen U 15 des FSV Waiblingen in der Regionalliga – der höchstmöglichen Spielklasse in diesem Alter. Im Interview sprechen sie über den Traum von der Bundesliga, Ilaydas Rolle als Spielführerin und harte Zweikämpfe auf dem Platz.
FUSSBALL.DE: Dilara und Ilayda, Ihr zählt zu den talentiertesten Fußballerinnen in Deutschland. Welchen Stellenwert hat dieser Sport in Eurem Leben?
Dilara Acikgöz: Einen sehr hohen. Wir investieren viel Zeit in den Fußball. Wir lieben es, am Wochenende auf dem Platz zu stehen. Aber wir haben ganz klar das Ziel, in ein paar Jahren in der Frauen-Bundesliga zu spielen. Dafür tun wir alles.
Ilayda Acikgöz: Deshalb haben wir unseren Tagesablauf sehr stark auf den Fußball ausgerichtet. Wir wohnen zusammen im Haus der Athleten am Olympiastützpunkt in Stuttgart. An einem normalen Tag stehen wir spätestens um 6.30 Uhr auf. Von sieben bis acht Uhr haben wir die erste Trainingseinheit. Danach gehen wir in die Schule. Da wir dort später starten, müssen wir auch länger bleiben. An einigen Tagen in der Woche haben wir deshalb noch nachmittags Unterricht. Und wenn wir dort fertig sind, geht es meist direkt zum Training. Viel Freizeit haben wir nicht. Aber wir machen das gerne, weil wir ein klares Ziel verfolgen.
"Wir wollen keine besondere Rolle einnehmen"
Wann bleibt bei diesem Pensum Zeit für Hausaufgaben und für das Lernen für Klausuren?
Dilara Acikgöz: Wir sind in der elften Klasse eines Wirtschaftsgymnasiums. Da werden die Anforderungen logischerweise immer größer. Um das alles zu schaffen, müssen wir unseren Tag tatsächlich sehr genau planen. Die Hausaufgaben müssen oft warten, bis wir abends mit dem Training fertig sind.
Wie stehen Eure Eltern zum Fußball?
Ilayda Acikgöz: Sie haben uns vom ersten Tag an unterstützt. Dafür sind wir ihnen sehr dankbar. Im Moment ist es nicht so einfach, weil wir eine Stunde von zu Hause entfernt wohnen. In stressigen Zeiten kann es vorkommen, dass wir es drei Wochen hintereinander nicht nach Hause schaffen. Das ist hart für unsere Eltern, aber auch für uns. Aber auch das nehmen wir für den Fußball in Kauf.
Wann hat sich Eure Fußball-Leidenschaft entwickelt?
Dilara Acikgöz: Wir haben schon im Kindergarten damit angefangen. Wir hatten immer einen Ball am Fuß. Ich glaube, dass wir da gerade fünf Jahre alt waren. Wir haben eine ältere Schwester, die ebenfalls Fußball gespielt hat. Inzwischen hat sie aufgehört.
Wie seid Ihr dann vom Kindergarten- zum Vereinsfußball gekommen?
Ilayda Acikgöz: Wir haben unsere Eltern so lange genervt, bis sie uns im Verein angemeldet haben. Das war, als wir in der zweiten Klasse waren. Wir sind dann in eine Mädchenmannschaft bei der TSG Schwäbisch Hall gekommen. Nach drei Monaten sind wir zu den Jungs bei den Sportfreunden Schwäbisch Hall gewechselt.
Warum nur drei Monate bei den Mädchen?
Dilara Acikgöz: Unsere Eltern und vor allem unser Onkel hatten den Eindruck, dass wir bei den Mädchen etwas unterfordert waren. Und so war es auch. Bei den Jungs hat es uns vom ersten Tag an viel mehr Spaß gemacht, weil wir intensiver gefordert wurden. Heute können wir sagen, dass uns der Fußball mit den Jungs deutlich nach vorne gebracht hat.
Wieso ist das so?
Ilayda Acikgöz: Weil es beim Fußball nicht nur um Technik und Taktik geht. Beides kann man sehr gut auch bei den Mädchen lernen. Aber wir haben schnell festgestellt, dass auch die Körperlichkeit und das Tempo entscheidende Faktoren sind. Und bei diesen beiden Punkten muss man einfach sagen, dass wir bei den Jungs die ganzen Jahre über mehr gefordert worden sind. Heute zahlt sich das für uns auf dem Platz aus.
Ihr spielt inzwischen in der männlichen U 15 beim FSV Waiblingen in der Regionalliga. Seid Ihr die einzigen Mädchen in Eurer Mannschaft?
Dilara Acikgöz: Nicht ganz, wir haben auch noch eine Torhüterin im Team. Insgesamt ist die Konstellation aber schon ungewöhnlich. Ich glaube, dass wir die einzigen drei Mädchen in der gesamten Regionalliga sind.
Habt Ihr innerhalb des Teams oder beim Gegner eine besondere Stellung?
Ilayda Acikgöz: Nein, und das ist auch gut so. Wir wollen keine besondere Rolle einnehmen – weder in der eigenen Mannschaft noch beim Gegner. Wenn das Spiel läuft, sind wir ein ganz normaler Teil unseres Teams. Ich hatte bisher noch nie den Eindruck, dass irgendjemand anders in einen Zweikampf mit uns geht, nur weil wir Mädchen sind.
Dilara Acikgöz: Zum Glück ist das so. Uns ist es am liebsten, wenn es überhaupt kein Thema ist, dass wir Mädchen sind.
Ilayda, Du bist sogar Kapitänin deiner Mannschaft. Wie kam es dazu?
Ilayda Acikgöz: Unser Trainer hat mich gefragt, ob ich mir diese Rolle zutraue. Ich habe es mir überlegt und dann zugestimmt. Letztlich war es aber nicht so, dass der Trainer mich als Kapitänin bestimmt hat. Er hat neben mir noch zwei Jungs vorgeschlagen und dann hat die Mannschaft gewählt. Am Ende hatte ich die meisten Stimmen. Es macht mich natürlich stolz, Kapitänin einer Jungenmannschaft auf diesem Niveau zu sein.
Wie gehst Du mit der Rolle um?
Ilayda Acikgöz: Ich bin grundsätzlich ein kommunikativer Typ. Mir ist es unabhängig von der Kapitänsbinde wichtig, Anweisungen auf dem Platz zu geben und dem Team so zu helfen. Das ist einfach mein Naturell. In den ersten Wochen, als ich Kapitänin war, habe ich mir sehr genau angeschaut, ob die Jungs damit trotz ihrer Wahl womöglich doch ein Problem haben. Wäre das der Fall gewesen, hätte ich das Amt sofort wieder abgegeben. Aber bis jetzt habe ich nicht das Gefühl, dass ich nicht akzeptiert bin als Spielführerin unserer Mannschaft.
Habt Ihr Vorbilder, an denen Ihr Euch orientiert?
Dilara Acikgöz: Wir haben natürlich schon Spielerinnen, die wir als Vorbilder bezeichnen würden.
Ilayda Acikgöz: Wir finden Giulia Gwinn toll. Nicht nur als Fußballerin, sondern auch als Mensch. Vor allem, wie sie sich in den sozialen Netzwerken präsentiert. Auch Dzsenifer Marozsan ist eine überragende Fußballerin und ein toller Mensch.
Dilara Acikgöz: Pernille Harder finden wir auch toll. Schade, dass sie im Sommer Deutschland verlassen hat und jetzt in England spielt. Aber das sind Spielerinnen, denen wir nacheifern.
Wann ist Euch das erste Mal klar geworden, dass auch Ihr es nach ganz oben schaffen könnt?
Ilayda Acikgöz: Ich denke, das war 2017 bei einem Länderpokal. Da haben wir für den Württembergischen Fußballverband gespielt. Uns war gar nicht bewusst, dass das ein Sprungbrett für uns vielleicht sogar in die deutsche Nationalmannschaft sein könnte. Erst als wir dann im Anschluss tatsächlich eine Einladung vom DFB zu einem Sichtungslehrgang bekommen haben, haben wir die Bedeutung realisiert und erkannt, dass wir Potenzial haben. Erst da ist uns aufgefallen, wie gut wir eigentlich sind. Vorher war uns das nicht bewusst.
Ihr wart inzwischen beide schon in Nachwuchs-Nationalmannschaften des DFB im Einsatz. Was bedeutet Euch das?
Dilara Acikgöz: Es ist eine unglaubliche Ehre. Es macht uns stolz, für Deutschland spielen zu können. Mehr geht kaum. Jetzt wollen wir dran bleiben und die nächsten Schritte machen.
Ist der Fußball dann für Euch im Moment noch ein Hobby oder hat er schon eine berufliche Perspektive?
Ilayda Acikgöz: Ich habe das Gefühl, dass wir uns da gerade an einem Schnittpunkt befinden. Einerseits lieben wir den Fußball und er ist unser größtes Hobby. Andererseits sehen wir jetzt auch die Perspektive, wohin uns der Sport bringen kann, wenn wir weiter hart arbeiten und wenn wir möglichst verletzungsfrei bleiben.